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Der Kick der Fauen

 

interview frau der woche -

angelika gebhard - was sie zu ihren abenteuern treibt

Das Leben auf See ist zuweilen recht entbehrungsreich. Wie haben Sie diesen Verzicht auf vielerlei Luxus erlebt?
„Glücklich ist nicht wer viel hat, sondern wenig braucht.“ Diese Lebensweisheit hat mich immer begleitet. Vor allem wurde sie mir bewusst, wenn ich Menschen begegnen durfte, die nach unseren westlichen Maßstäben vielleicht als arm gelten würden, in Wirklichkeit aber noch die Fähigkeit besitzen,mit der Natur und in der Natur zu leben.
Auf unserer Non-stop Fahrt von Australien nach Emden - 6 Monate ohne einen einzigen Hafen anzulaufen - mußte ich natürlich auf vieles verzichten. Vor allem auf Süßwasser. Haare und Haut haben darunter gelitten. So genieße ich an Land, einfach den Wasserhahn aufzudrehen und mich zu duschen, ohne darüber nachzudenken, ob genug Wasser vorhanden ist.
Auf der anderen Seite erlebe ich auf einer Ozeanüberquerung so viel, dass mir das Fehlen von Luxus kaum bewusst wird.

 

Viele Menschen beneiden Sie um das „Aussteiger“-Leben, das Sie führen, und um all die vielen Erfahrungen. Gibt es auch Momente, in denen Sie gern mit anderen tauschen würden und sich einen „normalen“, geregelten Berufsalltag wünschen?
Ja, solche Momente gibt es und hat es gegeben. Als wir drei Wochen nach dem Start zur Weltumsegelung vor Grönland in einen schweren Sturm gerieten, das Schiff kenterte und wir nur knapp mit dem Leben davon kamen, hätte ich sofort mit jedem getauscht, zumal das Unglück gleich zu Beginn der Reise geschah und ich mir nicht sagen konnte, „das ist der Preis, den du am Ende bezahlen für deine phantastischen Erlebnisse auf der Weltumsegelung musst,“.
Auf dem Meer gibt es kein Gut oder Böse - auch keine Gerechtigkeit. Der Mensch kann nicht gegen die Natur kämpfen, er muss sich ihr unterordnen. Er spürt, wie unwichtig er als Einzelner in einem unendlichen System ist, dessen eigentliche Zusammenhänge wir Menschen nicht verstehen.


 

Sie haben während Ihrer Törns oft Monate auf dem Meer verbracht, ohne zwischendurch auch nur einen einzigen Hafen anzusteuern. Bekommt man dabei eine besondere Verbindung zum Wasser, zum Meer?
Ganz bestimmt. Und zwar in einer Weise, die ich selbst nicht für möglich gehalten hätte. Die Jahre auf See gehören für mich zur den wichtigsten Erfahrungen in meinem Leben. Gibt es eine schönere Art der Fortbewegung als das Segeln? Das Glücksgefühl, wenn man sich mit dem Boot nach wochenlanger Überfahrt, nur von der Kraft des Windes getrieben, einer kleinen Insel mitten im Ozean nähert, ist schwer in Worte zu fassen.
Segeln entspricht unserem eigentlichen Empfinden. Wir bewegen uns mit einer Geschwindigkeit, die wir innerlich nachvollziehen können. Auf dem Ozean reagieren wir auf Veränderungen der Natur um uns, weil wir sie mit unserem Denken und Fühlen in Einklang bringen können. An Land - im Alltag der modernen Technikwelt - prasselt täglich eine Vielfalt von Einflüssen und Eindrücken auf uns nieder, die das menschliche Gehirn nicht ausreichend verarbeiten kann. Ständig müssen wir Reize aufnehmen, ohne dafür die Voraussetzungen zu haben. Der Mensch in seiner ureigensten Natur ist dafür nicht geschaffen und antwortet auf die Informationsüberflutung häufig mit Stresssymptomen.
Auf See wird der Mensch wieder sensibel. Seine Wahrnehmungsfähigkeit nimmt zu, je länger er auf dem Ozean unterwegs ist. Auf unserer Non-Stop Fahrt von Australien nach Deutschland konnte ich den Kontinent schon Tage vor unserer Ankunft riechen. Aber auch das Sehen und Hören entwickelt und verbessert sich auf langen Überfahrten.


 

Die bekanntesten Vertreter der Abenteurer-Szene sind allesamt Männer. Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass – zumindest wenn man nach dem durch die Medien vermittelten Bild geht – so wenig Frauen mitmischen?
Ich denke das entwickelt sich ähnlich wie im Berufsleben. In den kommenden Jahren werden bestimmt auch immer mehr Frauen der Faszination eines Abenteuerlebens erliegen und hoffentlich darüber auch in Büchern und Filmen berichten. Auf der anderen Seite darf man nicht vergessen, dass eigene Kinder und Abenteuer sich nicht besonders gut miteinander verbinden lassen. Ich habe bewusst auf Kinder verzichtet, weil Kinder ein festes Sozialgefüge für ihre Entwicklung brauchen.
 

Sie haben Pädagogik studiert, arbeiten heute jedoch als Publizistin und haben mehrere Bücher über Ihre Reisen veröffentlicht. Hilft das Schreiben, um sich über die Reiseerfahrungen noch einmal bewusster zu werden und sie noch eingehender zu verarbeiten?
Auf jeden Fall. Die selbst gestellte Aufgabe, über unsere Reisen Bücher zu schreiben und Filme zu drehen, intensivieren das Erlebte. Vor jeder Reise recherchiere ich, welche Ziele interessant sind, mit welchen Institutionen sich vielleicht eine Zusammenarbeit anbietet. Jede Reise ist für mich an ihrem Ende fast wie ein in sich abgeschlossenes Leben.
Für mich ist es auch ein zusätzliches Erlebnis, über unsere Abenteuer zu schreiben oder das Filmmaterial zu Berichten zusammenzuschneiden. Über unser letztes Projekt - unsere Reise durch Rußland mit dem eigenen Boot - haben wir unter dem Titel „Zauber der Wolga“ und „Unter falscher Flagge“, allein 7 Folgen à 45 Minuten für das Bayerische Fernsehen produziert.





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© Angelika Gebhard